„So hat das Leben keinen Sinn. Ich kann nicht mehr. Bitte verzeiht mir!“ Ein Abschiedsbrief mit diesen Worten ist schrecklich für die Hinterbliebenen, aber er drückt auch eine enorme Hoffnungslosigkeit bei der Person aus, die nicht mehr die Kraft hatte weiterzuleben.
Jedes Jahr nehmen sich in der Schweiz rund 1000 Menschen das Leben, 5 Mal mehr als es Todesopfer im Strassenverkehr gibt. Suizid gehört zu den drei wichtigsten Todesursachen von Menschen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren für Frauen und Männer gleichermassen. Dabei sind in diesen Zahlen die Suizidversuche nicht eingerechnet, die den vollzogenen Suizid um das 20fache übertreffen.
Wie der internationale Vergleich zeigt, gehört die Schweiz in der Suizidstatistik zur Spitzengruppe. Pro Tag nehmen sich durchschnittlich drei Menschen das Leben. In 90 Prozent der Suizide findet sich die Vorgeschichte einer psychischen Erkrankung. Gedanken an Tod und Selbstmord gehören zum Erscheinungsbild einer schweren Depression. Sie werden besonders gefährlich, wenn sich eine depressive Person zunehmend eingeengt und verlassen fühlt. Zuerst sehnt sie sich vielleicht nur danach, einfach schlafen zu können, um nie mehr zu erwachen. Doch dann beginnt sie zunehmend darüber nachzudenken, wie sie ihrem Leiden und damit ihrem Leben ein Ende setzen könnte. Zieht sich das Netz der Ausweglosigkeit weiter zusammen, so geschieht es nicht selten, dass sich die Gedanken ihr aktiv aufzudrängen beginnen so stark, dass sie kaum mehr weiss, wie sie widerstehen soll.
Tabuthema Suizid
Für viele Christen ist es nicht leicht, solche Gedanken auszusprechen. Zu gross ist noch das Tabu. Sie fürchten sich vor der Reaktion ihrer Mitchristen und haben Angst davor, verurteilt zu werden, "weil doch ein Christ keine Selbstmordgedanken hat." Von einzelnen Seelsorgern werden solche Ideen als Zeichen mangelnder Hingabe an Gott, ja sogar als Ausdruck einer dämonischen Beeinflussung des Betroffenen gedeutet. Doch gerade diese Haltung kann einen Menschen noch tiefer in die Ausweglosigkeit treiben.
Selbstmordgefahr rechtzeitig zu erkennen, ist für die effektive Beratung von depressiven Menschen daher wichtig,
Fünf Fragen
Fünf Fragen können dabei helfen: Zuerst gilt es, die Suizidalität überhaupt anzusprechen. Ich formuliere es vielleicht so: „Menschen in Ihrer Situation sehen manchmal keinen Ausweg mehr. Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich das Leben zu nehmen?“ Als nächstes gilt es, das Risiko einzuschätzen. Hat die Person nur einen Todeswunsch oder beschäftigt sie sich konkret damit? So kann man fragen: „Wie würden Sie es tun? Haben Sie bereits Vorbetungen getroffen?“ Je konkreter die Vorstellungen, desto grösser das Risiko! Drittens: Leidet die Person an Gedanken, die sich ohne ihr Wollen intensiv aufdrängen? Die Erfahrung zeigt, dass sich passiv aufdrängende Gedanken gefährlicher sind. Ein viertes Warnzeichen ist die Ankündigung eines Suizids, die man immer ernst nehmen sollte. Schliesslich sollte man abschätzen, wie weit die depressive Stimmungslage und die suizidale Einengung dazu führt, dass ein Mensch zunehmend vereinsamt und keinen Grund mehr sieht, in diesem Leben zu bleiben: „Haben sich Ihre Interessen, Gedanken und zwischenmenschlichen Kontakte gegenüber früher eingeschränkt, verringert? Was hindert Sie daran, ihre Gedanken in die Tat umzusetzen?“
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